Jedem, der in einem Tschernobylverein mitarbeitet sagt das Datum 26.4.1986 etwas. Es ist der Tag der verheerendsten atomaren Katastrophe
in einem Kernkraftwerk.
Den wenigsten allerdings ist bekannt, dass der Reaktor nur 12 km von der ukrainisch- weißrussischen Grenze entfernt steht.
Obwohl eine ukrainische Katastrophe, haben die Menschen in Weißrussland am meisten darunter zu leiden. Die Windverhältnisse während
und nach dem GAU bewirkten, dass 70% des radioaktiven Fallouts über weißrussischem Gebiet niedergingen und etwa ein Fünftel
der Gesamtfläche des Landes verseuchten. Besonders die Gebiete Gomel und Magilow sind betroffen.
Bei der Explosion des Block 4 im Tschernobyler Kernkraftwerk traten rund 500 radioaktive Stoffe aus.
Hauptanteil war Cäsium-137
mit einer Halbwertzeit von 30 Jahren, Strontium-90 mit einer Halbwertzeit von 28,8 Jahren und Plutonium 239+240 mit einer Halbwertzeit
von 24 000 Jahren. In einem Umkreis von 30 km um den Reaktor wurden alle bewohnten Orte evakuiert.
Dazu gehört die 50 000 Einwohner zählende Stadt Pripjat, die nach der Katastrophe durch das Riesenrad im Park bekannt wurde,
welches zum 1. Mai der Bevölkerung zur Nutzung übergeben werden sollte, doch da gab es niemanden mehr, der Riesenrad fahren konnte.
32 Stunden nach der Katastrophe und damit viel zu spät wurde die Stadt evakuiert. Noch heute ist sie eine Geisterstadt.
Aber auch viele kleine Orte auf weißrussischer Seite mussten nach der Katastrophe mit dem Bulldozer zugeschoben werden,
weil unmittelbar nach der Katastrophe über ihnen ein Regenschauer nieder gegangen war. Auch Tscheschkow traf die Evakuierung,
dort kann man noch Spielgeräte auf dem Schulhof sehen, Häuser im Rohbau, eine Zeitung vom Mai 1986 (siehe Fotogalerie).
Narowlja, eine unserer beiden Partnerstädte, ist die dem Reaktor am nächsten gelegene bewohnte weißrussische Stadt. Sie ist nur 44 km vom
Kraftwerk entfernt. Am südlichen Stadtrand beginnt die evakuierte Zone. Sie liegt am Pripjat, dem Fluss, der das Kraftwerk flussabwärts mit
Kühlwasser versorgte. Hier leben heute ca. 12 000 Menschen. In dieser Stadt arbeiten wir eng mit dem Schulamt zusammen, das mit uns
gemeinsam Kinder auswählt, die zu einem 3-wöchigen Erholungsaufenthalt nach Erfurt kommen, damit sie in unbelasteter Umgebung
Ferien erleben können.
Rogatschow, unsere zweite Partnerstadt, liegt zwar 120 km nördlich von Narowlja, ist aber auf Grund der damaligen Wetterlage ähnlich
stark verseucht. Auch von hier laden wir jährlich Kinder ein. Unser Partner ist die 3. Mittelschule mit ca. 720 Schülern und 70 Angestellten.
Rogatschow liegt am Zusammenfluss von Trud und Dnjepr. Vor ihrer totalen Zerstörung durch die Faschisten war Rogatschow eine
klassizistische Stadt mit über 70 % jüdischer Bevölkerung.